Nachwuchs- und Fachkräftesicherung bleibt schwierig

Trotz steigender Lehrlingszahlen appeliert Kammerpräsident Heinrich Gringel an die Betriebe in ihren Ausbildungsanstrengungen nicht nachzulassen.

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Die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung bleibt für die Handwerksbetriebe in Nord-, Ost- und Mittelhessen ein beherrschendes Thema. Obwohl die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im vergangen Jahr deutlich angestiegen ist, gebe es keinen Anlass zur Entwarnung, sagte Heinrich Gringel, Präsident der Handwerkskammer Kassel, anlässlich der 130. Vollversammlung. Im vergangenen Jahr ist zwar die Zahl der jungen Menschen, die im Kammerbezirk eine Ausbildung im Handwerk begonnen haben, von 2.549 auf 2.748, also um 7,8 Prozent gestiegen, „aber die aktuellen Nachrichten über die Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt geben leider nur wenig Hoffnung, dass das Thema absehbar an Brisanz verliert“.

Zunehmend Sorge bereite dem Handwerk, dass in der Industrie immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. „Sieht man die aktuellen Meldungen vor dem Hintergrund, dass viele im Handwerk ausgebildete Fachkräfte in Industriebetriebe abwandern, ist diese Entwicklung für uns bedenklich“, so der Kammerpräsident. Vor allem wenn man hinzunehme, dass die Zahl der Auszubildenden insgesamt im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief gesunken sei, während die der Studenten inzwischen doppelt so hoch wie die der Auszubildenden ist.

„Die Folgen dieser Entwicklung spüren wir alle. Die Klagen unserer Betriebe, dass Fachkräfte fehlen, werden immer lauter.“ Nicht zuletzt deshalb habe die Handwerksorganisation insgesamt ihre Anstrengungen in der Nachwuchswerbung deutlich verstärkt. „In der Kammer haben seit vergangenem Jahr vier Projekte ihre Arbeit aufgenommen, mit deren Hilfe wir noch besser einzelne Zielgruppen ansprechen können. Mit den vier Ausbildungsberatern verfügen wir also über ein rundes Beratungsangebot, das sich auszuzahlen scheint.“

So fiel der Zuwachs besonders deutlich in der Stadt Kassel aus, wo sich die Zahl der neuen Lehrverträge um sage und schreibe 20,6 Prozent erhöhte. Aber auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf konnte ein Anstieg um stolze 16,5 Prozent verbucht werden. Im Landkreis Kassel betrug der Zuwachs sieben Prozent, in Waldeck-Frankenberg 6,8 Prozent, in Werra-Meißner sechs Prozent und in Schwalm-Eder fünf Prozent. „Das sind gute Zahlen auf die wir stolz sein können“, so der Kammerpräsident.

„Das bedeutet aber nicht, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen können, junge Menschen von der Attraktivität einer Ausbildung im Handwerk zu überzeugen.“ Deshalb appellierte er an die Betriebe, die vielen Angebote der Kammer zu nutzen. „Die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe ist eng damit verbunden, dass es gelingt, Nachwuchs- und Fachkräfte zu finden und zu halten.“ Dabei bezog der Kammerpräsident sich ausdrücklich auf die anhaltend positive Wirtschaftsentwicklung im Handwerk.

Denn die gute Handwerkskonjunktur in Nord-, Ost- und Mittelhessen hält nach wie vor an. „2015 war das fünfte Jahr in Folge, dass für unsere Handwerksbetriebe ein gutes Jahr war“ bilanzierte Gringel. Und der Start in das laufende Jahr spreche dafür, dass sich diese Entwicklung auch 2016 fortsetze. „Trotz jahreszeitlich bedingter Rückgänge bei Umsätzen und Auftragseingängen bescherten uns die ersten drei Monate das beste Frühjahrs-Geschäftsklima seit 1992.“

Grundsätzlich profitierten die Betriebe nach wie vor von günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland, aber auch die niedrigen Zinsen, fallende Energiepreise und steigende Beschäftigtenzahlen sorgten weiterhin für einen privaten Konsum auf hohem Niveau. „Bei den derzeit positiven Rahmenbedingungen erwarten wir für das aktuelle Jahr ein Umsatzplus von 2 Prozent und bei den Beschäftigten auf alle Fälle Stabilität. Auch dort ist allerdings leichte Steigerung möglich – vorausgesetzt die Betriebe finden die benötigten Fachkräfte“, so Gringel.

Weiter warb er erneut für mehr Investitionen in die dringend notwendigen Instandsetzung und Instandhaltung der Verkehrswege-Infrastruktur sowie in die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. „Das würde für das Handwerk ein echtes Konjunkturprogramm bedeuten“, so der Kammerpräsident, der sich auch für die Stärkung der Bauherrenkompetenz und Planungseffizienz der Verwaltungen auf allen Ebenen aussprach.

„Wir brauchen aber auch die Förderung des Bauens im Bestand“, so Gringel. Hier gehe es zum einen darum, für eine alternde Gesellschaft ausreichend barrierefreien Wohnraum zu schaffen. „Zum anderen wird uns die Energiewende nur gelingen, wenn wir vor allem in unseren Gebäuden mehr Energie sparen.“ Die vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks unterzeichnete „Handwerksinitiative Energieeffizienz“ zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich, werde den Betrieben in den nächsten Jahren zugutekommen und dafür sorgen, „dass wir weiterhin eine stabile Handwerkskonjunktur haben werden“.

Die Entwicklung der Betriebe in Nord-, Ost- und Mittelhessen, vermeldete Hauptgeschäftsführer Bierschenk in seinem Jahresbericht 2015, sei weitgehend stabil verlaufen. Ende vergangenen Jahres lag die Zahl der kammerzugehörigen Betriebe bei 16.102 (16.188 in 2014), was einen geringfügigen Rückgang von 86 Betrieben oder 0,5 Prozent bedeutet. Gegen diesen Trend blieb die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum stabil bei 91.000, während sich der von den Betrieben erwirtschaftete Umsatz leicht von auf 8,6 Milliarden Euro auf 8,7 Milliarden Euro erhöhte. Leicht rückläufig zeigte sich erneut die Zahl der Existenzgründungen, die von 950 auf 903 sank, gemessen an der Gesamtzahl der Betriebe entspricht das einer Gründerquote von 5,6 Prozent (2014: 5,8 Prozent).

Im Aufwind befanden sich 2015 die Zahlen der Meisterprüfungen (von 451 auf 541) und der Fortbildungsprüfungen (von 276 auf 410), die ebenso zunahmen wie die Zahl der Auszubildenden. Durch den Anstieg der neu eingetragenen Lehrverträge konnte die Kammer seit mehr als zehn Jahren erstmals wieder einen Zuwachs bei der Gesamtzahl der Auszubildenden verzeichnen. So erhöhte sich die Zahl der jungen Menschen, die im Kammerbezirk ein Handwerk erlernen, von 7.202 auf 7.242, ein Zuwachs von 40 Verträgen oder 0,6 Prozent. „Diese Entwicklung freut uns sehr, aber sicher ist es zu früh, von einer Trendwende zu sprechen. Dennoch hoffen wir, diese Entwicklung auch 2016 fortsetzen zu können“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer diese Zahlen.

Anschließend genehmigte die Vollversammlung die Jahresrechnung. Und so fiel Bierschenks Bilanz der Kammerfinanzen auch positiv aus: „Mit den erneut gestiegenen Investitionen haben wir den Umbau und die Modernisierung des Bildungszentrums weitgehend abgeschlossen. Der Unterricht in den neuen Werkstätten läuft und unsere Betriebe profitieren bereits von einem Bildungsangebot auf modernstem Stand.“