Ausbildung und Sicherung von Fachkräften bleibt die Herausforderung

Die Entwicklung bei den künftigen Fachkräften steht im Gegensatz zu der anhaltend guten Handwerkskonjunktur

Das Thema Nachwuchswerbung steht nach wie vor ganz oben auf der Agenda des Handwerks in Nord-, Ost- und Mittelhessen. Anlässlich der 128. Vollversammlung der Handwerkskammer Kassel machte Kammerpräsident Heinrich Gringel deutlich, dass auch weiterhin alle Anstrengungen gefragt seien, damit das Handwerk künftig genügend Nachwuchs- und Fachkräfte findet. Folgerichtig nutzte die Kammer die Zusammenkunft des Handwerkerparlaments um ihre in diesem Jahr neu gestarteten Projekte, die KAUSA Servicestelle, die „Passgenaue Besetzung“ und die „Mobilitätsberatung“ vorzustellen.

„Ich bin froh, dass wir unsere Betriebe mit diesen drei Projekten bei der Suche nach geeigneten Nachwuchskräften unterstützen können, denn Auszubildende zu finden, wird auch künftig nicht leichter werden“, sagte Gringel über die Ausweitung der Kammeraktivitäten. Dazu gehöre auch, so der Präsident weiter, dass die Kammer zum einen ein Netzwerk gegründet hat, das Flüchtlinge schneller in eine Ausbildung bringen will und zum anderen in ein Netzwerk eingebunden sei, dass Studienzweifler für eine duale Ausbildung gewinnen will.

„All diese Angebote machen wir vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Auszubildenden in unserem Kammerbezirk seit knapp 20 Jahren kontinuierlich sinkt“, so Gringel. Deshalb appellierte der Kammerpräsident auch an die Betriebe, die vielen Angebote der Kammer zu nutzen. „Die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe ist eng verbunden mit der Frage, ob es gelingt, Nachwuchs- und Fachkräfte zu finden und zu halten.“ Die Dringlichkeit dieses Appells belegte auch Hauptgeschäftsführer Eberhard Bierschenk. Er berichtete, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2014 erneut von 2.744 um 7,1 Prozent auf 2549 gesunken ist. „Angesichts der vielen unbesetzten Lehrstellen gibt es nicht mehr die eine Lösung für alle, sondern nur eine Vielzahl von Maßnahmen, mit denen wir möglichst viele Betriebe und möglichst viele junge Menschen erreichen.“

Die Entwicklung bei den künftigen Fachkräften steht im Gegensatz zu der anhaltend guten Handwerkskonjunktur. Denn auch 2014 war für die Handwerksbetriebe in Nord-, Ost- und Mittelhessen ein gutes Jahr. „Die Erlöse unserer Betriebe beliefen sich auf knapp 8,4 Milliarden Euro, was im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um zwei Prozent bedeutet. Gleichzeitig wurden rund 500 neue Stellen geschaffen“, bilanzierte Gringel und berichtete weiter, dass auch der Start ins neue Jahr ebenfalls zufriedenstellend gelungen sei.

Träger dieser guten Konjunktur blieben die Ausbauhandwerke sowie die Betriebe für den gewerblichen Bedarf. Während die einen vom ungebrochen guten Privatgeschäft profitieren, spielt den anderen die gestiegene Industrienachfrage in die Karten. Weniger zufrieden ist das Bauhauptgewerbe. Zwar spüren die Betriebe nach wie vor noch den Schwung vom privaten Wohnungsbau, aber vor allem der Tiefbau leidet unter dem Ausbleiben öffentlicher Aufträge. „Deshalb ist es für uns wichtig, dass der Ausbau des schnellen Internets, den sich die fünf nordhessischen Landkreise auf die Fahnen geschrieben haben, nicht an den Betrieben vorbei geht“, sagte Gringel und forderte, die Ausschreibungen des Projekts, das europaweit eines der größten ist, so zu gestalten, dass das Handwerk der Region eine Chance hätte sich zu beteiligen.

Insgesamt profitierten die Betriebe vom anhaltend guten Konsum, von niedrigen Zinsen und einer geringen Teuerungsrate. Wegen des ausgezeichneten Investitions- und Konsumklimas erwarteten sie eine Fortsetzung der guten Konjunktur. „Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen erwarten wir auch für 2015 ein Umsatzplus von 1,5 Prozent und bei den Beschäftigten auf alle Fälle Stabilität, allerdings ist dort auch leichte Steigerung möglich. Damit es so kommt, sind vor allem zwei Punkte wichtig: Zum einen brauchen wir Nachwuchs- und Fachkräfte und zum anderen günstige Rahmenbedingungen“, so der Kammerpräsident.

Und zu diesen Rahmenbedingungen gehört auch der Mindestlohn, dessen Umsetzung vom Handwerk kritisiert wird. „Die Bundesregierung hat mit dem Mindestlohngesetz nicht nur eine Lohnuntergrenze eingezogen, sie hat dazu auch noch viele neue Begleitregelungen geschaffen. Unsere Erfahrungen zeigen hier ganz klar, dass das Mindestlohngesetz bei den Betrieben auf eine größere Akzeptanz stoßen würde, wenn die damit verbundenen Belastungen nicht so weitreichend wären“, monierte Gringel. „Viele Betriebsinhaber haben auch den Eindruck, dass sie ohne Grund verdächtigt werden, den Mindestlohn umgehen zu wollen.“ Das liege, so der Kammerpräsident, nicht zuletzt an der Art und Weise, wie die Einhaltung des Mindestlohngesetzes überwacht werde. „Auch die Kontrollen untergraben die Akzeptanz des Mindestlohngesetzes im Handwerk.“

Ein weiteres Problem sei, dass das Mindestlohngesetz auch für Arbeitnehmer mit einem höheren Stundenlohn als 8,50 Euro gelte. „Es wirkt weit in bestehende Arbeitsbeziehungen hinein und verursacht neben neuen Rechtsunsicherheiten zusätzliche bürokratische Lasten. Dazu gehören beispielsweise umfassende Verpflichtungen zur Arbeitszeitaufzeichnung, Besonderheiten beim Führen von Arbeitszeitkonten sowie Sonderregelungen bei der Anrechenbarkeit von Zulagen oder Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn.“ Es sei also kein Wunder, dass viele der betroffenen Betriebe über hohe administrative Belastungen klagten. Deshalb fordere das Handwerk, die Reduzierung der bürokratischen Verpflichtungen. „Dazu gehöre auch die Absenkung der Verdienstschwelle, ab der auch für kaufmännische und technische Angestellte die Mindestlohndokumentationspflichten gilt, von derzeit 2.958 auf mindestens 2.200 Euro.

Die Entwicklung der Betriebe in Nord-, Ost- und Mittelhessen, vermeldete Hauptgeschäftsführer Bierschenk in seinem Jahresbericht 2014, sei stabil verlaufen. Ende vergangenen Jahres lag die Zahl der kammerzugehörigen Betriebe bei 16.188 (16.228 in 2013), was einen geringfügigen Rückgang von 40 Betrieben oder 0,2 Prozent bedeutet. Leicht rückläufig war auch die Zahl der Existenzgründungen, die von 1.068 auf 950 sank, ebenso wie die Zahl der Meisterprüfungen (von 501 auf 451) und der Fortbildungsprüfungen (von 343 auf 276). Die Zahl der Beschäftigten stieg hingegen im gleichen Zeitraum von 89.800 auf 90.300, ebenso wie der von den Betrieben erwirtschaftete Umsatz, der sich von 8, 2 Milliarden auf 8,3 Milliarden Euro erhöhte.

Anschließend genehmigte die Vollversammlung die Jahresrechnung. Die belief sich 2014 auf 16,6 Millionen Euro, ein Jahr zuvor hatte sie noch bei 12,3 Millionen Euro gelegen. Allerdings stieg auch der Betrag, den die Kammer im vergangenen Jahr in die Modernisierung des Bildungszentrums Kassel (BZ) investierte von 2,1 auf 6,7 Millionen Euro. Und so fiel auch Bierschenks Bilanz der Kammerfinanzen positiv aus: „Die steigenden Investitionen in die Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen im BZ sind gut angelegt. Sie kommt unseren Betrieben direkt zugute. So können wir auch künftig ein Bildungsangebot auf modernstem Stand für sie bereithalten.“